Die Kieler SSW-Ratsfraktion hat mit ihrer Nichtteilnahme an der ersten Ratssitzung im Festsaal des Kieler Schlosses ein Zeichen gesetzt: Der Umzug der Ratsversammlung ist ein teurer und nach Prüfung des Stadtpräsidenten unnötiger Vorgang, der Politikverdrossenheit provoziert und das Stadtparlament von der Kieler Bevölkerung entfremdet. Dazu erklären Ratsherr Marcel Schmidt und Ratsfrau Dr. Susanna Swoboda, Vorsitzender und stellvertretende Vorsitzende der SSW-Ratsfraktion:
„Der Umzug der Kieler Ratsversammlung aus dem Ratssaal des Kieler Rathauses in den Festsaal des Kieler Schlosses ist ein beispielloser Vorgang. Dass die Kooperationsfraktionen der Aussage des Stadtpräsidenten, dass der Ratssaal den epidemiologischen Vorgaben des Gesundheitsamts genügt, keinen Glauben schenken, sondern an dem Umzugsplan festhalten, entbehrt jeder Logik. Oder es ist Ausdruck eines Konflikts zwischen Stadtpräsident und Kooperationsspitzen bei dem letztere sich durchgesetzt haben.
Der Streit zwischen Stadtpräsident und Kooperation um den Umzug kennt im Ergebnis keine Gewinner. Die Ratsversammlung geht mit einem bleibenden Imageschaden vom Feld, denn viele Kieler*innen nehmen in der öffentlichen Debatte Anstoß daran, dass die Politik über den tatsächlichen Bedarf hinaus Mittel für einen vermeintlichen Gesundheitsschutz aufwendet, die an anderer Stelle, zum Beispiel in den Schulen, dringend benötigt werden. Darüber hinaus wurde das Vertrauen in das Gesundheitsamt leichtfertig infrage gestellt, was in Zeiten einer Pandemie Ausdruck gravierender Verantwortungslosigkeit ist. Der Stadtpräsident und der Sitzungsdienst mussten in den letzten Monaten außerordentlich viel Arbeit und Zeit in einen Umzug stecken, der nach ihrer eigenen Prüfung keine sachliche Grundlage hat. Der Stadthaushalt wird in einem Krisenjahr unnötig belastet: 13 500 Euro für neue Tische, 5500 Euro für technische Ausstattung, 3500 Euro für das WLAN, 2500 Euro für Glasfaserkabel und für jede kommende Sitzung nochmal 500 Euro für Mobiliartransport, 300 Euro für einen Sicherheitsdienst und 110 Euro für die Internetversorgung. Hinzu kann auch noch ein Nachteilsausgleich in unbestimmter Höhe kommen, falls das Schloss der Ratsversammlung entgangene Einnahmen wegen entgangener Nutzungsmöglichkeiten in Rechnung stellen möchte.
Mit unserem Fernbleiben in der gestrigen Sitzung haben wir ein Zeichen dafür gesetzt, dass sich so ein missglückter Vorgang nicht wiederholen darf. Wir müssen verhindern, dass sich solche überteuerten Aktionen einbürgern. Das Geld wäre gerade in Corona-Zeiten an anderer Stelle besser aufgehoben. Sämtliche öffentlichen Kassen stehen unter großem Druck; wir haben kein Geld übrig, das ohne handfeste Gründe verpulvert werden kann.
Unser einmaliges Fernbleiben sollte unseren energischen Protest gegen diese Geldverschwendung ausdrücken, denn Gespräche und eindringliche Appelle verhallten wirkungslos. Die SSW-Ratsfraktion ist stolz auf ihren hohen Arbeitseinsatz in dieser Wahlperiode. Umso mehr erstaunt uns das Gebaren der SPD-Fraktionsvorsitzenden Ratsfrau Gesa Langfeldt. Ihr Ruf nach einer ‚rechtssicheren Vorlage‘ zur Ahndung einer Nichtteilnahme an Ratssitzungen offenbart eine neue Gangart in dieser Ratsversammlung. Wir befürchten, dass hier eine Drohkulisse aufgebaut werden soll, die Abstimmungen mit den Füßen bei kommenden Eskapaden, wie der Umsetzung des umstrittenen Antrags ‚Verleihung der Andreas-Gayk-Medaille‘ (unten in der öffentlichen Niederschrift der Ratssitzung vom 20.08.2020), im Keim ersticken soll.“