Die Landtagsfraktionen von SSW und FDP gehen gerichtlich gegen das umstrittene Gesetz von CDU und Grünen vor, das in großen Kommunalparlamenten die Mindestzahl von Mandaten zur Fraktionsbildung von 2 auf 3 erhöhen soll. Die SSW-Ratsfraktion Kiel begrüßt diesen Schritt sehr und mahnt an, dass der Schwarz-Grüne Demokratie-Abbau aufgehalten werden muss. Dazu erklärt der Fraktionsvorsitzende Ratsherr Marcel Schmidt:
„Mit einem abstrakten Normenkontrollverfahren beim Landesverfassungsgericht wollen die Landtagsfraktionen von SSW und FDP gegen die auf Landesebene beschlossene Änderung der Gemeindeordnung vorgehen. Sie haben dabei unsere volle Unterstützung. Es ist richtig und wichtig, dass jetzt gegen das Gesetz geklagt wird. Der Plan von CDU und Grünen, Bürgerbegehren über Bauleitplanungen faktisch unmöglich zu machen sowie die Heraufsetzung der Mindestgröße von Fraktionen in großen Kommunalparlamenten bedeuten einen Abbau der schleswig-holsteinischen Demokratie, dem man nicht untätig zusehen darf.
Die Bürgerbegehren in Kiel hatten in der Vergangenheit sehr positive Einflüsse auf die öffentliche Debatte zu ihren entsprechenden Themen und halfen dabei, in strittigen Diskussionen zu belastbaren Beschlüssen zu kommen. Bei den Grünen überrascht es uns allerdings nicht wirklich, dass sie die Hürden für Bürgerbegehren hochschrauben wollen, wie wir an ihrem Umgang mit dem Ergebnis des Flughafen-Bürgerentscheids sehen: In ihrem Wahlprogramm zur Kommunalwahl fordern sie erneut die Schließung des Flughafens, obwohl die Bürger*innen für seinen Fortbestand gestimmt hatten.
Überraschend für uns ist, dass die Grünen auch für die Anhebung der Fraktionsmindestgröße sind, da sie noch 2008 – mit dem Landesvorsitzenden Robert Habeck – vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen die 5%-Hürde in schleswig-holsteinischen Kommunalparlamenten geklagt hatten. Über die neue Regelung würde jetzt eine faktische Sperrklausel durch die Hintertür wiedereingeführt, die auch in Kiel eher über 5% Stimmenanteil liegen würde, wenn man als Partei mit Fraktionsstärke in die Ratsversammlung einziehen möchte, was für eine tatsächliche Beteiligung am politischen Geschehen unabdingbar ist. Hier muss man den Eindruck gewinnen, dass eine ehemalige Kleinpartei nach ihrem Aufstieg in die Sphäre der sogenannten Volksparteien jetzt die Tür hinter sich zu machen möchte, um unliebsame Konkurrenz per Regeländerung von vornherein auszuschalten.
Das Heraufsetzen der Mindestgröße von Fraktionen von 2 auf 3 Mandatsträger*innen soll laut CDU und Grünen zum Ziel haben, die Arbeit der Kommunalparlamente zu vereinfachen. Das Gegenteil ist der Fall. Durch den dann folgenden rasanten Anstieg von fraktionslosen Ratsleuten, würde auch die Kieler Ratsversammlung um ein Vielfaches fragmentierter werden und die Arbeitsbelastung von Sitzungsleitung und Sitzungsdienst massiv erhöht, da auch Fraktionsmitarbeitende wegfallen, die die Meinungsbildungsprozesse der Ratsleute begleiten und dem Sitzungsdienst zuarbeiten. Als Motivation für das Ansinnen, die Fraktionsgrößen hochzusetzen, können wir nur ausmachen, dass man schlicht keine Lust hat, sich die Reden der Kleinen anzuhören. Zur Demokratie gehört jedoch, dass man es aushalten muss, wenn andere Meinungen vorgetragen werden.
Besonders fatal ist, dass das von SSW und FDP beklagte Gesetz schon zur vor uns liegenden Kommunalwahl an der Urne zu Änderungen im Wahlverhalten führen könnte, da Wähler*innen die Mitwirkungschancen kleinerer Parteien möglicherweise geringer einschätzen. Dabei haben gerade die kleinen Fraktionen in der aktuellen Wahlperiode wichtige Impulse und Akzente gesetzt, bspw. die gerechte Bezahlung der SKK-Servicekräfte, die Städtepartnerschaft Kiel-Aarhus, die Etablierung eines Drogenkonsumraums, der Anstoß einer Solidaritätspartnerschaft mit einer ukrainischen Stadt sowie die Wegbereitung für das E-Sport-Landeszentrum. Wir als SSW-Ratsfraktion haben in der jetzt endenden Wahlperiode ein Arbeitspensum hingelegt, das es mit dem wesentlich größerer Fraktionen aufnehmen kann: Mit zwei Fraktionsmitgliedern haben wir mehr inhaltliche Anträge und Anfragen federführend eingebracht als die Fraktion der Grünen mit zwölf Mitgliedern.
Die Arbeitsfähigkeit der Kieler Ratsversammlung ist an keiner Stelle gefährdet: Auch die kleinen Fraktionen waren bei allen großen Beschlüssen wie zur Stadtbahn oder den Haushalten immer konstruktiv dabei und haben dafür gesorgt, dass diese mit breiten Mehrheiten auf sicheren Füßen stehen. Die Kieler Nachrichten haben in der jüngeren Berichterstattung die aktuelle Ratsversammlung als die ‚zahmste‘ der Ratsgeschichte eingeordnet. Es herrschen also mitnichten Weimarer Verhältnisse, wie die Kieler CDU unterschwellig glauben machen will. Die einzige Gefährdung der Arbeitsfähigkeit der Kieler Ratsversammlung geht in diesem Moment von der CDU-Ratsfraktion und ihrem Kieler Kreisverband aus, die mit dafür gesorgt haben, dass dieses Gesetz überhaupt auf den Weg gebracht wurde.
Im Ergebnis haben wir jetzt eine Situation, in der möglicherweise mitten in der kommenden Wahlperiode Fraktionen aufgelöst werden müssen oder neu gegründet werden können. Diese absolute Rechtsunsicherheit, hervorgerufen durch ein fehlerhaftes und noch eilig vor der Wahl durchgepeitschtes Gesetz, ist jetzt schon eine Hypothek für die neue Ratsversammlung. Die vielen Unklarheiten über Fraktionsmittel, Mitarbeiter*innen und die möglicherweise erschwerte Kooperationsbildung werden die politische Arbeit von Anfang an und wahrscheinlich sogar nachhaltig lähmen. Wir können die Worte von Lars Harms nur bestätigen: ‚Das, was Schwarz-Grün hier geschaffen hat, führt zu Chaos in der Kommunalpolitik.‘“